Neunzig Prozent des Gipses geht in Bauprodukte für den Innenbereich. Bauen geht aber auch ohne Gips. Unsere Baustoffwahl kann also den Gipskarst im Südharz erhalten. Naturgipsfreie Baustoffe sind in Deutschland längst auf dem Markt etabliert. Die besten Alternativen zu Naturgips sind Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen oder kreislaufgeführte mineralische Produkte, z.B. Lehm, der für feuerbeständige Anwendungen Gipsplatten ersetzen kann.
Nachfolgend werden für jedes Naturgipsprodukt die alternativen Produkte gelistet. Am Textende findet sich eine Übersicht zu aktuellen Verbrauchszahlen für Gipsprodukte.
Wandbauplatten
Für Innenwandverkleidung oder Trennwände werden momentan große Mengen Gipskartonplatten verbraucht. Platten für den Innenausbau gibt es aber auch aus nachwachsenden Rohstoffen, wie Stroh, Holz, Holzfasern, Hanf, usw. Sie sind stabil, wärme- und schalldämmend, gut rückbaubar und speichern CO2. All das können Gipskartonplatten nicht.
Bedenkt man, dass einige Hersteller sogar garantieren, dass ihre Strohplatte samt Einbau im gleichen Preisniveau wie eine Gipskartonplatte plus Einbau rangiert, sind diese Alternativen den Gipskartonplatten weit überlegen, auch im Preis- Leistungsverhältnis.
Putze
Putze bestehen aus mineralischen Rohstoffen. Allerdings kann auf Putze verzichtet werden, wenn Innenwände mit Holz vertäfelt, Pflanzenfaserplatten optisch attraktiv sind oder gestrichen oder tapeziert werden. So kann auf mineralischen Putz verzichtet werden.
Sollen Wände verputzt werden, kann mit Lehm oder Kalk statt Gips gearbeitet werden. Kalk kommt wesentlich häufiger vor als Gips, der Abbau zerstört aber auch Landschaft. Lehm wird von einigen Herstellern in Deutschland nur als Nebenprodukt aus anderen Abgrabungen gewonnen. Lehm lässt sich überdies sehr gut und einfach recyceln. Bei allen mineralischen Baustoffen sollte aber darauf gedrängt werden, dass mehr Recyclingmaterial eingesetzt wird. Der BUND fordert eine verpflichtende Kennzeichnung der Recyclinganteile in Produkten.
Estriche
Für Estriche kann statt Naturgips auch Beton genutzt werden. Mittlerweile gibt es Betonrezepturen, die CO2-neutral sind. Beton-Fließestriche sind haltbarer und fester als Gipsestriche, brauchen aber auch einige Tage länger zum Aushärten. Beton lässt sich zudem gut recyceln. Fast eine halbe Million Tonnen Sekundärgips gibt es pro Jahr aus der Herstllung von Flusssäure allein in Deutschland. Dieser Sekundärgips wird vollständig in Fießestrich verarbeitet. Alternativ kann außerdem auch auf Holzfußboden zurückgegriffen werden.
Beton
Laut Aussage von Herstellern kann Beton mittlerweile CO2-neutral hergestellt werden. Dennoch sollte auch der CO2-freie Beton recycelt werden, um den Verbrauch primärer mineralischer Rohstoffe wie Sand, Kies und Gips zu reduzieren. Zum Recycling wird viel geforscht und es gibt verschiedene Methoden des Betonrecyclings. Eine gute Idee ist, Ziegel-Gipsabriss direkt zu zerkleinern und als Betonrohstoff zu nutzen. Beton wird z.B. aktuell als Sockel für Windenergieanlagen genutzt.
Recyclinggips
Während im europäischen Ausland bis zu 80 Prozent des Gipses aus Bauschutt recycelt wird, fehlt recycelter Gips auf dem deutschen Markt bisher weitestgehend. Studien belegen, dass Gipsrecycling in Deutschland bis 2040 von aktuell rund sieben Prozent auf fünfzehn bis zwanzig Prozent (1,5 bis 2,0 Millionen Tonnen pro Jahr) gesteigert werden könnte. Das Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz – BMUV – hat hierzu ein Video erstellt: https://www.youtube.com/watch?v=mX1Ty7vCDxc
Ein verbessertes Gipsrecycling braucht aber eine konsequente Trennung der Gipsabfälle von der Baustelle bis hin zum Recyclingwerk. Zu richtigem Recycling von Gips hat die Senatsverwaltung Berlin eine Broschüre und ein Informationsvideo veröffentlicht.
- Video: Ressourcenwende bei der Berliner Bauwirtschaft
- Broschüre: Ressourcenwende bei der Berliner Bauwirtschaft
Mit Recyclinggips ist hier der Gips gemeint, der aus Bauabriss oder Verschnitt von Gipsplatten zurückgeholt und wieder aufbereitet wird.
Bisher können Gipsplatten nur bis zu dreißig Prozent Recyclinggips aufnehmen, der Rest muss weiterhin Naturgips sein. Das liegt an den beigemischten „Additiven“ in Gipsplatten, erläuterten Vertreter der Branche im Dialogforum Recyclingrohstoffe 2022. Da Gipsplatten zum großen Teil durch Platten aus nachwachsenden Rohstoffen oder Lehm ersetzbar sind, sollte Recyclinggips für Beton oder Spezialgipse genutzt werden, die bisher nicht so gut ersetzbar sind.
Sekundärgipse
Anders als Recyclinggips aus der Abrissaufbereitung kann Sekundärgips, ein Nebenprodukt aus der industriellen Säureherstellung oder aus der Kraftwerksentschwefelung, zu hundert Prozent in Gipsplatten, Putze oder Estriche verarbeitet werden. Da bisher keine Produktkennzeichnung auf den Platten ist, kann der Bauherr aber nicht unterscheiden, ob Naturgips oder Sekundärgips oder Recyclinggips im Produkt ist.
Sekundärgipse sind zum Beispiel Phosphor-, Zitronen-, Milch-, Weinstein- und Fluss-Säuregipse. Zitronensäuregips wird für Dentalgipse genutzt, Flusssäuregips für Estriche. Phosphorgips wurde in den 70er Jahren in Deutschland noch produziert und zu Gipskartonplatten verarbeitet. Heutzutage ist die Phosphorsäureproduktion ins europäische und nordafrikanische Ausland verlagert, wo riesige Mengen Phosphorgips auf offenen Halden lagern oder ins Meer entsorgt werden. Europäische Hochschulen sind bereits im Labormaßstab fähig, die in diesen Phosphorgipsen enthaltenen wertvollen Seltenen Erden abzutrennen und so reinen Baugips zu erhalten. Phosphorgips könnte auf diese Weise den gesamten Gipsbedarf der EU decken und REA- und Naturgips überflüssig machen.
Feuerfeste Platten, Leichtbausteine
Bei Wohngebäuden mit mehreren Wohneinheiten wird ab einer bestimmten Größe vorgeschrieben, einen Teil der Wände mit „feuerfesten“ Materialien zu versehen. Hierzu können Mauersteine, Lehmsteine oder mineralische Platten genutzt werden. Mineralische Platten können statt aus Gips aus Lehm, Kalk oder CO2-freiem Beton sein – am besten aus recycelten Materialien.
Leichtbausteine aus Porenbeton werden nach Abriss bisher vollständig auf die Bauschuttdeponie entsorgt. Ein Recycling wird gerade erprobt und könnte zukünftig bis zu fünfundzwanzig Prozent des Naturgipses ersetzen! Daran forscht aktuell die Hochschule Nordhausen.
Tab.: Gipsbaustoffe, Ersatzbaustoffe und ihre Eigenschaften für Deutschland (nach: Alwast 2020)
muss noch aus Word-Tabelle als Grafik gestaltet werden [Dirk Pfuhl]
Gipsverbrauch in Deutschland nach Produkten
Deutschland hat mit zehn Millionen Tonnen pro Jahr mit Abstand den höchsten Gipsverbrauch in der ganzen EU! Davon wurden bisher zwei Millionen Tonnen pro Jahr exportiert – genau die Menge, die jährlich aus dem Südharzer Gipskarst verschwindet. In Deutschland wird Naturgips zu vierzig bis fünfzig Prozent in Gipskarton- und Gipsfaserplatten verwendet, zu fünfzehn Prozent in Gipsputzen, zu fünfzehn Prozent in Gipsestrichen und zu rund zwanzig Prozent in Beton.
Zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft gehören langlebige, zerstörungsfrei rückbaubare, sortenrein wiederverwendbare Baustoffe. Gipsprodukte im Bau erfüllen keines dieser Kriterien. Gipsabriss ist überdies grundwassergefährdend. Statt Naturgips sollten Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen, Lehm oder recycelten Mineralien genutzt werden.